Der Liebe wegen

– die queere Erinnerungs- und Menschenrechtsarbeit des Weissenburg e.V.

Das ehemalige Vorstandsmitglied Joachim Stein (✝ 2023, Mitte) mit Landtagspräsidentin Muhterem Aras (links) und Janka Kluge (rechts) am 25.Januar 2019 nach der Gedenkstunde des Landtags von Baden-Württemberg für die Opfer der NS-Diktatur im Foyer des Landtagsgebäude.
Foto: Andreas Kaier, Landtagspressestelle

Aufarbeitung und Sichtbarmachung des Leids queerer NS-Opfer

Noch in den fünfziger Jahren brüstete sich die im Gebäude “Hotel Silber“ am Stuttgarter Karlsplatz ansässige städtische Kriminalpolizei, „zum Schrecken der Homosexuellen Stuttgarts“ geworden zu sein.1 Und noch 2010 musste die damalige Landesregierung einräumen, dass es in Baden-Württemberg „bisher keine systematische Aufarbeitung und dauerhafte Darstellung des NS-Unrechts an homosexuellen Menschen“ gibt.2 Um dem entgegenzuwirken engagiert sich der Weissenburg e.V. seit 2009, zunächst als „Rosa-Winkel-Initiative“ und seit 2017 auch mit dem Projekt „Der-Liebe-wegen“, für die Aufarbeitung und Darstellung der Ausgrenzungs- und Verfolgungsgeschichte queerer Menschen in unserer Region mit besonderem Fokus auf die Zeit der NS-Diktatur.
Mit zahlreichen Aktivitäten wie Kundgebungen, Online- und Präsenz-Unterschriftensammlungen, Veröffentlichung von Publikationen und diversen Veranstaltungen konnten viele Veränderungen in Richtung Sichtbarkeit erreicht werden, was sich seit 2018 insbesondere in der Dauerausstellung im Erinnerungsort Hotel Silber oder in der seit 2024 überarbeiteten Gedenktafel zur Erinnerung an den NS-Terror der ehemaligen Kripoleitstelle Stuttgart im Hospitalviertel zeigt. Die Weissenburg unterstützte von Beginn an die Erhaltung des Hotel Silber als Gedenk- und Geschichtsort und war Gründungsmitglied der Initiative Hotel Silber e.V.


Chronologisches und Aktuelles

Diese unterschiedlichen Aktivitäten sind auf der Webseite „Der-Liebe-wegen – von Menschen im deutschen Südwesten, die wegen ihrer Liebe und Sexualität ausgegrenzt und verfolgt wurden“ unter der Rubrik „Erinnerungsarbeit & Menschenrechte“ in chronologischer Reihenfolge dargestellt. Hier ist auch Aktuelles zur Erinnerungskultur in Bezug auf queere Menschen zu finden. Zusätzlich informiert darüber das Facebook-Profil vom Projekt „Der-Liebe-wegen“ und dessen zwei bis drei Mal im Jahr erscheinenden Newsletter, für den Mensch sich hier anmelden kann.


Aktuelle Projekte des Weissenburg e.V.

  • Projekt „Lesbische bzw. nicht-heteronormativ empfindende Frauen in Psychiatrien des deutschen Südwestens während der NS-Zeit“
    Die im Auftrag des Vereins von der Historikerin Claudia Weinschenk M. A. geplante Buchveröffentlichung basiert auf den Ergebnissen des Forschungsprojektes zur Auffindbarkeit von lesbischen Frauen in der NS-Zeit in Psychiatrieakten. Ein erstes Zwischenergebnis ist auf der Webseite des Hotel Silber veröffentlicht. Weitere Informationen zum Projekt finden Sie hier.
  • Projekt „Der-Liebe-wegen.org“
    2017 konnte mit Hilfe einer Projektfinanzierung des Ministeriums für Soziales und Integration Baden-Württemberg und der Initiative Hotel Silber e.V. in Kooperation mit Rosa Hilfe Freiburg e.V. das oben bereits genannte Internetprojekt „Der-Liebe-wegen.org“ veröffentlicht werden. Zusammen mit einem Exkurs über geschlechtliche Minderheiten wurde damit erstmals für Baden-Württemberg die Ausgrenzungs- und Verfolgungsgeschichte von gleichgeschlechtlich begehrenden Menschen detailliert dargestellt. Im Fokus stehen die in einer digitalen Gedenkkarte dargestellten 254 Einzelschicksale von Opfern der faschistischen Diktatur. Grundlage dafür sind die Ergebnisse jahrelanger Arbeit von den außeruniversitär Forschenden Werner Biggel, Ralf Bogen, Rainer Hoffschildt, William Schaefer und Claudia Weinschenk. 2018 ging an sie der vom Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst in Zusammenarbeit mit dem Ausschuss für Heimatpflege verliehene erste Preis für Heimatforschung Baden-Württemberg.
    Zur Veröffentlichung der Seite finden sich zahlreiche Grußworte wie beispielsweise von Manne Lucha, seit 2016 Minister für Soziales und Integration in Baden-Württemberg, der zum Projekt schreibt: „Mit der Website „Der Liebe wegen“ wurde mithilfe zahlreicher Engagierter eine Plattform geschaffen, die den Opfern ein Gesicht und eine Stimme gibt. Die Seite stellt schonungslos dar, was mit den Menschen geschah, die aufgrund ihrer sexuellen Orientierung und ihrer geschlechtlichen Identität nicht in das nationalsozialistische Weltbild passten. Sie ist damit ein wertvoller Baustein bei der umfassenden Aufarbeitung dieser dunklen Vergangenheit. „Der Liebe wegen“ dient ebenso dem Gedenken an die Opfer wie auch als Mahnung gegen Hass, Menschenfeindlichkeit und Homo- und Transphobie. Dafür bin ich in diesen Zeiten besonders dankbar.“
    Das Projekt „Der-Liebe-wegen“ arbeitet zusammen mit der Themengruppe Geschichte des Netzwerks LSBTTIQ Baden-Württemberg und dem Fachverband Homosexualität und Geschichte.
  • Projekt „Derliebewege.org“
    Inspiriert von „Der Liebe wegen“ befasst sich ein weiteres Webseite-Projekt mit verschwundenen und historischen Orten der LSBTTIQ Community, in Stuttgart: www.derliebewege.org. Es ist ein Projekt des Weissenburg e.V. unter der Leitung des Künster*innen Kollektivs Polychrom, Lena Fritschle und Philine Pastenaci, gefördert durch dieLandeszentrale für politische Bildung. Die Website wurde im Frühjahr 2021 durch Thomas Leuthold umgestaltet, die durch eine Förderung des Fonds Soziokultur ermöglicht wurde.


Eine kleine Chronik der Highlights

Teil der Gedenkstunde war die Performance „Es ist, was es ist – ein auditivperformatives Gedenken“
Konzept: Philine Pastenaci, Lena Fritschle, Heisam Abbas, Hannah Ebenau
Mit: Vava Vilde, Rachel Intervention und Jugendlichen der Initiativgruppe Homosexualität Stuttgart e.V
Foto: Andreas Kaier, Landtagspressestelle
Einweihung der Gedenktafel am Gebäude des ehemaligen Hotel Silber in der Dorotheenstr. 10 am 17.07.2012
Foto: Sven Tröndle

Forschungsarbeiten und -beiträge:

Folgende Forschungsarbeiten und -beiträge sind im Auftrag oder im Kontext mit den oben genannten Projekten des Weissenburg e.V. entstanden:



(1) und (2) zitiert nach „Ausgrenzung und Verfolgung homosexueller Männer in Württemberg“ von Ralf Bogen in: Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg [Hrsg.]: Der Bürger im Staat Nr. 1-2015, Homophobie und Sexismus, Stuttgart 2015